Vagusnerv, Teil 2
Sind Deine Nerven auf Daueralarm?
Angspannt, unruhig, erschöpft? Unser Nervensystem reagiert nicht erst, wenn ein Tiger auf uns zurennt. Sondern bereits, wenn wir an etwas denken, das uns beunruhigt.
Wenn wir uns bedroht fühlen, schaltet unser Nervensystem auf Alarm. Es optimiert uns auf Kampf, Flucht oder Erstarrung.
Hierzu unterdrückt es, was während Gefahr wenig nutzt: Regeneration, Selbstheilung und soziale Fähigkeiten.
Wenn unser Nervensystem im Alarmzustand hängenbleibt, werden wir krank. Und unausstehlich.
Dieser Artikel beschreibt, wie es zu Daueralarm kommen kann und was wir tun können, um unser Nervensystem zu regulieren.
#1 Unser Nervensystem: Vorsorglich auf Alarm
Wenn wir uns bedroht fühlen, kennt unser Nervensystem 3 mögliche Reaktionen: Kampf, Flucht oder Erstarren (Freeze Response).
In unserer Gesellschaft ist Letzteres in den meisten Fällen die sozial akzeptabelste Variante.
D.h. wenn Dein Chef, Partner oder Lehrer Dich anbrüllt, wirst Du normalerweise nicht angreifen oder weglaufen.
Egal jedoch, wieviel von Deinen Instinkten Du äußerlich durchscheinen lässt – sobald Dich eine Situation oder ein Gedanke beunruhigt, schaltet Dein Nervensystem auf Alarm. Und optimiert Deinen gesamten Organismus auf entweder Kampf, Flucht oder Erstarrung.
Laut Stephen Porges Polyvagal Theorie wird hierbei der vordere Ast unseres Vagus deaktiviert bzw. stark heruntergeregelt (1). Denn dieser, für Kontakt, Kommunikation und Verdauung zuständige, Anteil wird weder bei Kampf, Flucht noch beim Totstellen benötigt.
Problematisch wird es, wenn diese Deaktivierung bestehen bleibt.
Entweder, weil wir uns für längere Zeit in einer als bedrohlich empfundenen Situation befinden. Oder, indem wir unseren internen Alarmmodus mittels beunruhigender Gedanken ständig neu auslösen.
Denn: Unser Nervensystem reagiert nicht erst, wenn ein Tiger auf uns zurennt. Sondern bereits vorsorglich, wenn wir nur an etwas denken, das uns beunruhigt. Seien dies nun Schulden, Kriegserinnerungen, Konflikte, Mobbing. Oder die Vorstellung jedweder Situation, in der wir uns unwohl fühlen.
#2 Dauerhafte Anspannung macht krank – und unausstehlich
Chronische Anspannung zieht nicht nur unsere Verdauung in Mitleidenschaft.
Über die damit einhergehende Beeinträchtigung unseres Darmnervensystems leiden auch unser Immunsystem und Gehirn.
Ebenso wie unser Einfühlungsvermögen.
Wir tendieren dazu, uns zurückzuziehen. Reagieren weniger mitfühlend. Handeln häufiger in selbstschädigender Weise und fühlen uns entsprechend niedergeschlagen und einsam.
Das Gefühl des Getrenntrenntseins weckt Ängste.
Denn Zusammengehörigkeit ist ein tiefes menschliches Bedürfnis. Wer vom Stamm ausgeschlossen wird, befindet sich in Gefahr.
Ein teufelskreis: Je angespannter wir sind, je unsicherer wir uns fühlen, desto unfähiger werden wir im Umgang mit Anderen.
So vertieft sich das Gefühl der Isolation.
Wir verspüren zunehmend mehr Angst. Was unser Nervensystem erneut alarmiert. Und den ständig auf Gefahr optimierten Organismus erschöpft.
Die Art der hierdurch auftretetenden Beschwerden ist abhängig davon, ob unser Nervensystem auf Kampf oder Erstarren schaltet.
Die Palette möglicher Symptome ist entsprechend gegensätzlich.
Bluthochdruck, Herzflattern, Verspannungen, Verdauungs- und Gedächtnisstörungen. Migräne zählt ebenso dazu wie zu niedriger Blutdruck, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Depression und Panikattaken.
Wie lässt sich unser Nervensystem normalisieren?
Ein freilebendes Tier würde nach traumatischen Erlebnissen, sobald es sich wieder in Sicherheit befindet, den internen Alarm beenden und die Balance seines Nervensystems wiederherstellen, indem es sich schüttelt und auf aktivierende Art atmet.
Wir können das Gleiche tun — oder uns auf viele andere Arten helfen:
Die übrigen Artikel dieser Serie findest Du hier:
Teil 1) Grundlegendes zum Vagus: Warum Kälte beruhigt und Singen Mut macht
Teil 3) 15 wirksame Wege, Deinen Vagusnerv zu stimulieren
Quellen und weitere Infos:
(1) Mittels Anpannung der Suboccipitialmuskeln kommt es zu einer minimalen Verschiebung der obersten Halswirbel (C1 / C2) wodurch die Blutversorgung des Hirnstamms vermindert und so die Aktivität des vorderen Vagusastes stark gedrosselt wird. Stanley Rosenberg, Der Selbstheilungsnerv
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